|
Die Gnosis der alten Götter -
Die seltsame Realität der Toten Namen
von Frank Cebulla
bereits im Web erschienen unter: http://www.equinox-net.de
"Türen, die geheimnisvollerweise mal offen und dann wieder geschlossen
vorgefunden werden - erwecken Schauder."
[aus dem Notizbuch von H. P. Lovecraft (1919) in: H. P. Lovecraft;
Azathoth. Vermischte Schriften; Suhrkamp 1989, S. 277]
Die Menschheit hat sich seit urältesten Zeiten mit
ihren Göttern befaßt. Man begründete Kulte, betete sie
an und opferte ihnen, schuf Abbilder, errichtete Tempel und hielt Rituale
ab. Man fürchtete sie und pries ihre Güte, beschwor und invozierte
sie und zögerte niemals, um ihretwillen Kriege zu führen und
Menschenleben geringzuschätzen. Bisweilen verfluchte man sie auch.
Weil der Mensch bis heute das Wesen von Realität nicht
verstehen kann, war und ist es für ihn auch unmöglich zu erkennen,
daß alle diese Götter ein integraler Bestandteil seiner selbst
sind - und trotzdem außerhalb existieren. Der ziemlich alte Fluch
des Entweder-Oder wird erst im Laufe der nächsten Jahrhunderte durch
das Sowohl-Als-Auch aufgehoben werden. Alle diese Götter der menschlichen
Zeiten repräsentieren abstrakte Prinzipien irdischer Manifestationen.
Das heißt nicht, daß sie im Grunde genommen nur die Naturgewalten
darstellen, wie es materialistische Philosophen immer wieder behaupten.
Da jedoch die Erkenntnisfähigkeit des Menschen an seine Sinne gebunden
ist, kann er ihre energetische Dimension - oder ihre Existenz als spezifische
Schwingung des Universums - nur elementar, d.h. z.B. eben als Naturgewalt,
erfahren. Odin ist mehr als nur Sturmgott; er steht für Weisheitssuche
und mystische Wanderschaft, für Kampfeswillen und Blutdurst, für
Initiation und magisches Wissen. All das sind menschliche Kategorien.
Wir kennen keine irdische Form, in die wir Odin gießen könnten,
um ihm - bildlich gesprochen - die Hand zu reichen. Wir können allein
einen Teil seiner Existenz erahnen, wenn wir uns den stürmischen
Rauhnächten des Winters aussetzen und die Wildheit eines dunklen,
zerrissenen Himmels auf uns wirken lassen. Ebenso können wir nur
spekulieren, warum die Göttin Venus mit der Zahl 7, der Farbe Grün
und Worten wie Sieg, Spiegel, Kenntnis usw. assoziiert wird. Diese gedanklichen
Wanderwege führen uns möglicherweise zu interessanten Sehenswürdigkeiten
der Seele, niemals aber zur direkten Erfahrung aphrodisischer Wahrheit.
Diese scheint in der Tat erst auf, wenn ein Mann auf die sexuellen Reize
einer Frau reagiert und sich beide gern von der Göttin be-siegen
lassen oder wenn man invozierend selbst die Gottform 'Venus' annimmt.
Metaphysik benötigt die Sinnlichkeit wie der Adler die Luft zum Fliegen.
Ohne Sinnlichkeit wird sie zum philosophischen Geschwätz, wie es
uns durch die Jahrhunderte hinweg bis zum Abwinken vorgeführt wurde.
[Das Wort 'Sinn' selbst enthält das organische Aufnehmen eines
Reizes, wird aber auch synonym als 'Bedeutung', 'Zweck' oder 'Verständnis'
verwendet. Etwas 'Sinnloses' braucht man gar nicht erst zu tun. Auch das
chinesische Tao als Urgrund der Welt wird mit 'Sinn' übersetzt!]
Götter sind jedoch noch mehr. Sie sind nicht einfach
nur irdische Naturgewalten und auch keine Ersatzbezeichnungen für menschliche
Erfahrungsbereiche. Letztere bieten uns nur einen Zugang, eine Art Tor.
Diese Tore sind immer schon genutzt worden, um mit Göttern zu kommunizieren
und sie zu erkennen. Die Erkenntnis eines Gottes heißt Gnosis und
steht damit im Gegensatz zu jener Theorie, die besagt, daß Gott sowieso
außerhalb menschlicher Erfahrung existiert und damit für unsere
Erkenntnis niemals zugänglich ist. Dieser Agnostizismus ist eine Erfindung
der Priester und Scholastiker, die immer darauf bedacht sind, die Tore zum
Göttlichen zu verwalten und Eintritt dafür zu verlangen. Wir müssen
zugeben, daß ihnen dies gut gelungen ist. Gnostiker waren immer die
religiösen Spinner und Ausgegrenzten, die Ketzer und Häretiker,
die Irrlehrer und falschen Propheten. Die Stifter oder Oberhäupter
der großen Religionen dagegen immer wahre Propheten, Stellvertreter
Gottes, unfehlbar, weise, erleuchtete Führer usw. Mögliche Tore
wie psychoaktive Pflanzen, magische Rituale, Askese, Sex, ekstatische Erfahrungen,
Trance, Tabuüberschreitungen usw. werden noch heute diskriminiert und
absichtlich in ein schlechtes Licht gerückt. Dabei ist nicht der Schutz
des Menschen das hehre Ziel (Schutz wovor?), sondern seine Kontrolle, Manipulation
und Ausbeutung. Es ist begreiflicherweise einfacher, einen Affen zu dressieren,
seine Geldbörse zu öffnen, als einen Erleuchteten mühsam
zu überzeugen.
Die Gnosis als mystischer Einweihungsweg bietet Zugang (und
zwar einen individuellen, außerhalb einer religiösen Institution
stehenden Zugang) zur Erfahrung der irdischen Götter. Wie schon gesagt,
sind sie tatsächlich irdisch, d.h. sie leben überhaupt erst im
menschlichen Sinn. Die irdischen Götter wurden mit dem Menschen oder
seinen menschlichen Vorfahren geboren. Natürlich gab es bereits vor
dem Menschen Stürme und Meere und Feuer usw., aber niemanden, der dies
sinnlich bewußt erfahren konnte. Doch halt! Genau an dieser Stelle
sind wir dem üblichen menschlich-egozentrischen Trugschluß auf
den Leim gegangen. Denn es gab sehr wohl lange vor dem Menschen Lebensformen
auf dem Planet Erde, die die Fähigkeit zu sinnlicher Erfahrung besaßen.
Und an dieser Stelle wird es erst so richtig spannend. Fangen wir bei unseren
unmittelbaren Vorfahren an. Meinetwegen bei affenähnlichen Rassen oder
überhaupt bei Säugetieren. Ihre Sinnessysteme sind den unsrigen
sehr ähnlich. Generationen ihrer Hirne haben möglicherweise über
riesige Zeiträume hinweg z.B. odinische oder aphrodisische Erfahrungen
registriert und sich damit auseinandergesetzt. Es ist sehr wahrscheinlich,
daß selbst Tiere also eine Gotteserfahrung besitzen, auch wenn sie
diese nicht benennen oder beschreiben können
[beschreiben im menschlichen Sinne! Denn natürlich verständigen
sich andere Lebensformen untereinander. Kommunikation bedeutet nichts
anderes als Austausch von Information. Über die Art und Weise dieses
Austausches und das Wesen der ausgetauschten Information ist damit noch
nichts gesagt...]
In vielen hunderttausend Jahren prägte sich die (prä)metaphysische
Erfahrung in genetische Substanz ein, wurde in der DNS verschlüsselt
und kollektiv weitergegeben - an uns! Jede Zelle trägt die gesamte
evolutionäre Botschaft in sich und biologisch sehr alte Teile unseres
Körpers (z.B. Stammhirn oder Geschlechts- und Ausscheidungsorgane)
haben diese uralten Erfahrungen gespeichert oder repräsentieren sie
noch immer. Jedem Schulkind ist heute bekannt, daß das menschliche
Embryo in seiner frühen Entwicklungsphase alle Stadien der Evolution
durchläuft und zwar nicht nur scheinbar in der Form, sondern tatsächlich.
Die biochemische Matrize, die als Träger von Information fungiert,
kann man sich wie die Festplatte eines Computers vorstellen, auf der man
Dateien selbst dann wieder herstellen kann, wenn sie bereits gelöscht
wurden. Unbewußt greifen wir ständig auf dieses Reservoir zurück.
Bewußt können wir das nur tun, wenn wir den entsprechenden Schlüssel
dazu besitzen. Wie solche Schlüssel aussehen, kann man bei Austin Osman
Spare, dem Begründer der Sigillenmagie, nachlesen.
[siehe dazu: Frater V.D. ; Sigillenmagie in der Praxis; Edition
Magus 1985, Kap. 8
Austin Osman Spare; Gesammelte Werke; Edition Ananael 1990
Spare bezeichnete seine Methode als "Atavistische Nostalgie" oder "Wiederbelebung
von Atavismen".]
Vielleicht erhalten die Götter gerade erst durch diese
äonenhafte Erfahrung einer Unzahl von Kreaturen eine dauerhafte Existenz.
Vielleicht unterscheiden sie sich dadurch von Wesen einer niederen Hierarchie,
meinetwegen Geistern und Dämonen usw., die kurzzeitigerer und individuellerer
Natur sind. Götter sind uns vertraut, weil wir sie nicht nur von unserem
- erdgeschichtlich gesehen ziemlich kurzen - Leben her kennen, sondern aus
allen irgendwie mit uns verwandten Leben vorher. Andere Konzepte wie die
Akasha-Chronik oder das Kollektive Unbewußte weisen in dieselbe Richtung.
Doch was ist mit den uns fremden Lebensformen? Lebensformen, die ganz andere
Sinnessysteme nutzen oder uns über Jahrmillionen hinweg gänzlich
unbekannt geblieben sind? Wie sieht die odinische Erfahrung eines Insekts,
eines Tiefseefisches, eines Sauriers, einer Flechte oder eines Virus aus?
Das da etwas ist, etwas sehr Verborgenes und Unglaubliches, zeigt die ungesicherte,
gleichwohl aber hartnäckige Existenz eines Buches, das unter dem Titel
Necronomicon bekannt geworden ist. Es ist bis jetzt nicht schlüssig
bewiesen worden, ob es sich dabei um ein (eventuell irgendwann einmal) existierendes
Buch oder nur um die literarische Erfindung von H. P. Lovecraft handelt.
In seinen umheimlichen Erzählungen, die fast alle um das Thema eines
uralten, sehr obskuren Götterkultes kreisen, wird jedenfalls das Necronomicon
häufig erwähnt und in seinen nachgelassenen Schriften existiert
sogar eine notierte Chronologie des Zauberbuches.
[Geschichte und Chronologie des Necronomicons, in: Azathoth. Vermischte
Schriften; Suhrkamp 1989, S. 298ff
Es ist im übrigen interessant zu sehen, mit welcher Inbrunst Lovecraft
entweder als eingeweihter Meister oder nur als seltsamer Schriftsteller-Kauz
mit einem Hang zu schaurigen Erzählungen stilisiert wird, je nachdem,
welches metaphysische Weltbild man verteidigen muß.
siehe auch: W. H. Müller; Lovecraft. Schatzmeister des Verbotenen;
Kersken-Canbaz 1993]
Das häufig mit schwarzer Magie in Verbindung gebrachte
und als schrecklich bezeichnete Buch enthält die Rituale, Siegel und
Formeln für die Beschwörung einer ausdrücklich als vormenschlich
bezeichneten Götterrasse. Zwar wurden die Namen dieser Alten Götter
mit sumerischen Quellen in Verbindung gebracht. Gleichzeitig existiert jedoch
der Hinweis, daß auch die Sumerer (als eine der ersten Kulturen überhaupt,
die aus dem Dunkel der Geschichte traten) diese Mythologie auch nur übernommen
haben, aus einem Kult, der vor der Menschheit bereits existierte. Was für
ein Kult mag das gewesen sein? Lovecraft erzählt viel von untergegangenen,
vormenschlichen Kulturen, deren Städte und Bauten im Laufe von Jahrmillionen
völlig zerfallen sind oder unter Wüstensand, Eis oder Meer begraben
liegen. Ich mag nicht entscheiden, ob er sich damit wirklich aus dem Bereich
literarischer Fiktion herausbewegt hat. Einfach so vom Tisch wischen sollte
man es jedenfalls nicht. Denn man muß sich daran erinnern, daß
die Datierung der Menschheitsentwicklung, die uns von der klassischen Archäologie
und Geschichtswissenschaft angeboten wird, ausschließlich an Funden
festgemacht wird. Doch welche Funde haben Zeiträume von einigen Millionen
Jahren überstanden, Zeiträume, in denen nicht nur ganze Gebirge
entstanden, sondern sich auch die Kontinente verschoben, Meere ausbreiteten
und gigantische Erdbeben die Landmassive erschütterten? Selbst einigermaßen
faßbare menschliche Kulturkatastrophen, die uns in legendenhaften
Berichten von Sintfluten, dem Untergang von Atlantis oder des minoischen
Kretas überliefert wurden, verschwinden hoffnungslos in nicht mehr
dokumentierbaren, mysteriösen Vorzeiten. Doch bleibt dies Spekulation.
Sehr viel näher liegt die unschwer anzunehmende Existenz besagter nichtmenschlicher
Lebensformen, von irgendeinem Einzeller angefangen bis hin zum Delphin,
dessen Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit kaum hinter dem Menschen
zurücksteht. Deren "Gotteserfahrung" ist zweifellos "überliefert",
in Form einer Schrift, die in keinem Buch, sondern in jedem Zellkern niedergelegt
ist. Nehmen wir beispielsweise den Gott des Meeres, der im abendländischen
Kulturkreis als Neptun oder Poseidon bekannt ist. Um ihn ranken sich mythologische
Erzählungen, die in menschliche Erfahrungskategorien gefaßt sind.
Warum soll der uns so fremde und schreckliche Cthulhu, der in seinem Tiefseepalast
schläft und auf sein Erwachen wartet (oder der ebenfalls erwähnte
Dagon), nicht die Poseidon-Erfahrung von urältesten Lebensformen, meinetwegen
sogar des Meeres, darstellen? Nach den Schilderungen der Lovecraft'schen
Cthulhu-Mythologie kann man den Gott nicht wecken, was im Grunde genommen
nur heißt, daß eine Kommunikation mit ihm nur ziemlich schwer
möglich ist. Selbst eine chaosmagische Beschwörung Cthulhus führt
nicht zur Erscheinung des Alten Gottes, sondern nur zur Erschütterung
seines monolithischen Grabmals auf dem Grunde des Meeres.
[Fra. .717.; Handbuch der Chaosmagie; Bohmeier 1995, S. 126ff,
vorausgesetzt, die Schilderung basiert tatsächlich auf praktischer
Arbeit]
Zwischen uns und den Alten Göttern steht eine komplexe
magische Wand, die es uns erschwert, mit ihnen in Kontakt zu treten. Und
nebenbei bemerkt, auch deren Kommunikation mit uns. Denn in den Geschichten,
die sich um sie ranken, werden sie (außer Nyarlathotep, der Bote,
der umherzieht) immer quasi aus einem Schlaf oder einer unbekannten Tiefe
und Ferne geholt. Sie warten auf ihre Wiederkehr. Die trennende Barriere
zwischen uns und ihnen könnte ihre Ursache in der enormen zeitlichen,
vielleicht auch räumlichen Distanz finden. Ich behaupte jedoch, daß
sie durch den Sprung auf andere, vor- oder nichtmenschliche, Arten zurückzuführen
ist. Ein Argument dafür ist ihre sprichwörtliche Fremdheit, Schrecklichkeit
und Stärke, die alles menschlich Bekannte in den Schatten stellt und
häufig zu Tod oder Wahnsinn derjenigen führt, die das Necronomicon
als ihr "Kopfkissenbuch" wählen. Nach Austin Osman Spare nimmt die
magische Kraft entgegengesetzt zur evolutionären Richtung zu. Die Erweckung
eines 'Alten Gottes' führt zu einem Erdbeben in den Tiefen unserer
Seele. Die Schrecklichkeit, Grausamkeit, Fremdheit und Kälte der vormenschlichen
Götter hat nichts mit moralischer Bosheit zu tun und daher auch nichts
mit Teufelskult oder schwarzer Magie. Sie verkörpern nur die schockierende
Erfahrung, die eigene gesicherte ("irdische") Realität zu verlassen,
um in die vorgeschichtlichen Tiefen nichtmenschlicher Erfahrung zu tauchen.
Die Natur, ja das gesamte Universum, ist weder gut noch böse. Den Raubzug
eines Säbelzahntigers unter ethischen Gesichtspunkten bewerten zu wollen,
ist reine Narrheit. Aber es ist durchaus möglich, daß gewisse
Tore uns einen Zugang zu den Göttern dieses urzeitlichen Raubtieres
verschaffen und genau das kann eben Entsetzen in einem artigen, zivilisierten
Erdenbürger hervorrufen und ist vielleicht auch nicht ganz ungefährlich,
wenn man es nicht vermag, in sein eigenes Universum, sprich seine eigene
Realität zurückzukehren! Aber die Reise in obskure Abgründe
ist noch nicht zu Ende. Wer Lovecraft aufmerksam liest, wird etwas sehr
Merkwürdiges feststellen. Die okkulten Ausflüge seiner Helden,
die in den meisten Fällen wohl auf Träumen des Schriftstellers
beruhen, führen immer in gänzlich unbekannte Räume und Dimensionen.
Unbekannte Sonnen leuchten und die Konstellationen der Sterne haben sich
verändert. Bauten weisen eine völlig andere Art von Geometrie
auf und das Entsetzlichste, was den Reisenden widerfahren kann, ist Fremdheit
im vollkommenen Sinne. Dies ist für Lovecraft so bedeutsam, daß
er es auf eine gewisse Weise sogar ins Zentrum seines literarischen Schaffens
stellt. Für ihn ist das wesentliche Grauen einer gelungenen Geschichte
nämlich "nichts Geringeres, als die einfache Empfindung des Staunens
darüber, daß man nicht mehr auf der Erde ist."
[H. P. Lovecraft; Einige Anmerkungen zu interplanetaren Erzählungen
in: Azathoth. Vermischte Schriften, S. 266
Er schreibt außerdem im selben Essay: "Was stets in höchstem
Maße vorhanden sein sollte, ist ein tiefes, überzeugendes Gefühl
der Fremdartigkeit - der völligen, unverständlichen Fremdartigkeit
einer Welt, die mit unserer nichts gemein hat."]
Damit weckt er auf eine subtile Art und Weise unsere Neugier
auf etwas, das nicht nur nichtmenschlicher, sondern nichtirdischer Natur
ist! Unter den Alten Göttern des Necronomicons träfe das unter
Umständen auf Azathoth zu, der Gott, der nach Lovecrafts Angaben als
blindes, idiotisches Wesen im zentralen Chaos der Unendlichkeit haust. Diese
Beschreibung ist poetisch und kann nichts anderes bedeuten als reines Unverständnis
gegenüber seiner göttlichen Substanz. Und trotzdem müssen
wir einen irgendwie gearteten magischen Zugang zu ihm und allen anderen
kosmischen Göttern haben. Woher kommt dieser Zugang? Worauf beruht
er? Als die Weisen dieser Welt noch nicht Quantenphysik studiert hatten,
schrieben und lehrten sie den Satz: "Alles im Universum hängt mit allem
anderen im Universum zusammen." Nach mühsamem Ringen, einigen Paradigmenwechseln
und endlosen mathematischen Operationen ist man in der hohen Wissenschaft
heute zu Quantenunteilbarkeit, Chaos-Theorie, morphogenetischen Feldern
und anderen merkwürdigen Konzepten gelangt. Der Sinn, d.h. sowohl der
Sinn der formulierten Thesen, als auch der Sinn, mit dem wir das Universum
betrachten, ist der gleiche geblieben. Kommunikation, d.h. der Austausch
von Information, ist unabhängig von Zeit und Raum möglich! Die
Konsequenzen dieser Erkenntnis sind nicht annähernd abzusehen. Der
Zugang zu uns fremden Göttern oder fremden Sichtweisen von uns bekannten
Göttern besteht also nicht nur materialisiert als genetisches Verbindungskabel,
sondern drahtlos, direkt, ohne Vermittler oder einen sonstigen Kurzschluß
im kosmischen Schaltkreis. Was bedeutet das? Es bedeutet kurz gesagt, daß
wir alle einen gewaltigen Sack Götter mit uns herumschleppen. Unsere
eigenen, bekannten Götter, die Götter unserer bekannten Vorfahren
und die unserer unbekannten Ahnen, Götter aller Völker und Zeiten
(auch die der Zukunft!), die Götter aller vormenschlichen Rassen und
Lebensformen, Götter völlig fremder Lebensräume und Planeten,
Götter außerirdischer Lebensformen (egal, ob intelligent oder
nicht) usw. usw. Wir können uns schließlich total in die Paranoia
treiben, wenn wir anerkennen, daß es nicht nur ein Universum gibt,
sondern viele, möglicherweise unendlich viele. Irgendeinem dieser Götter
sei Dank, daß die Tore wahrscheinlich nur latent vorhanden sind und
nicht automatisch. Es gibt vielleicht Erkenntnisstränge, denen wir
mit einer höheren Affinität folgen und andere, die wir auf ewig
meiden oder verfehlen. Zweifellos dient das unserer geistigen Gesundheit.
Andererseits führt uns irgendeine geeignete Gnosis zu jeder beliebigen,
denkbaren Manifestation. Das All steht uns offen und derjenige, der das
richtige Wissen besitzt und genügend Mut aufbringt, kann es sich quasi
einverleiben. Denn wir kehren an unseren Ausgangspunkt zurück. Der
Gnostiker der Alten Götter kann sie als Bestandteil seiner selbst erkennen.
Er hat die Universen geschaffen. Nur deswegen vermag er sie zu bereisen.
Alles existiert außerhalb und innerhalb von ihm. Er tut nichts weiter,
als die Festungen des ES zu erobern und die reichlichen weißen Flecken
seiner Seelen-Landkarte mit den Ergebnissen seiner Entdeckungsreisen zu
füllen. Möglicherweise entdeckt er erst ganz zum Schluß
den wichtigsten, fremdesten, schrecklichsten und unbekanntesten Gott, den
es gibt:
SICH SELBST!
© 1998 Alle Rechte beim Autor!
|