Der Kurbelmensch - verfaßt von Dominik Irtenkauf

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Wir sind durch die beschauliche Altstadt Neckargemünds gewandert und haben dort eine recht wunderliche Entdeckung gemacht, seitlich links von einem Gasthof gelegen, türmte sich ein Wasserspiel auf - zunächst dachte ich, es sei eines dieser wesenlosen, modernen Kunstwerke, deren Sinn selbst im vergangenen Jahrhundert aufgewachsenen Menschen verschlossen bleibt. ---

Doch bei genauerer Betrachtung entpuppte sich diese transparente Säule als ein "(inter-) aktives Spiel" (wie es der werte Freund Zardoz meinte!), an dessen Ende eine Kurbel zum Drehen angebracht war. Zog man nun an dieser Kurbel, so bewegte sich von dem oberen Ende des Kunstwerks, dessen Plexiglas-Säule mit Wasser oder ähnlicher Flüssigkeit gefüllt war, eine Wind- bzw. Wasserhose, bis auf ca. 30 cm (eigentlich sind Maße in dieser Beziehung nicht allzu ausschlaggebend, Hauptsache ist, die Wasserhose/-wirbel bewegt sich überhaupt!) vor das untere Ende dieser Glassäule. Umso heftiger und energischer/ abrupter man an diesem Hebel drehte, desto wilder drehte sich auch die Wassersäule. Erzeugt wurde diese künstliche Strömung durch eine Schraube im unteren Metallgestell, das in den Boden einbetoniert war (ich hätte sonst zus. mit Zardoz dieses Spiel mit nach Hause genommen). Unglaublich fast, wie sich die Säule aus der zuvor stillen, von keiner Hand oder Gewalt gerührten Unruhe absetzte, wegdrang - in Richtung auf die Tiefe, den Abgrund (welch grandioses Spiel des Zufalls, daß sich uns solch eine Apparatur entdeckte, am Treffen desselben Projekts, oder entsteht daraus eine neue Bewegung?). Trotzdem konnte es sich nicht vom Ausgangspunkt lösen, es hing an einem wässerigen Faden, der sich nicht lösen wollte, so lange die Kraft an der Kurbel strömte, so lange diese Kraft aber auch von einem Außenstehenden angetrieben wurde. Sie kann also nicht von alleine ihre mechanische Wirkung auslösen, es muß der Anstoß gebracht werden. Ein Anstoß aber, der von dem Willen eines Einzelnen abhängt. Dieser Einzelne kann die Wirbel-Säule in Gang setzen, bestimmt die Dauer als auch die Vehemenz des Vorstoßes, reguliert es in eigener Verantwortung, welche nun auch die Gestalt der sich ergebenden Figuren u. Schemen bestimmt. Nun ist er aber nicht direkt mit diesem Element verbunden, die Glaswand (in Zylinderform!) hält ihn von dieser Berührung ab, lediglich durch die Kurbel erhält er die Macht oder zunächst vielmehr den Zugang zu diesem Faszinosum, eine sich geometrisch sehr dynamisierende, kreiselnde Bewegung. Er kurbelt sozusagen den Durchbruch an, die Vorstellungen in seinem Kopf diktieren ihm die Impulse, welche er mit seiner Hand zur materiell-physikalischen Tat werden läßt.

Freue dich aber nicht zu früh - Kurbelmensch!

Deine Kraft muß erst noch durch eine Schraube verstärkt werden, eine Schraube vielleicht, die aus mehreren Blättern zusam-mengesetzt ist / mehrere Individuen lassen sich durch die Kurbelkraft eines Menschen inspirieren/ andrehen / Initiative zur BEWEGUNG geben / diese Bewegung übersteigt dann die Ebene der Schraube (-nblätter) und richtet sich zu der glatten Oberfläche empor. Von dort oben richtet sich wieder der Strahl nach unten, belebt die Schrauben, die ja dadurch auch den Kontakt zu dem Ausgang ihrer Bestimmung nicht verliert => sie kann den Weg zurückver-folgen, der eigentlich bestimmend für ihre Tätigkeit war; so gesehen ist es eine Motivation für die Bewegung, zugleich jedoch auch auch der Urgrund für die Bewegung. Von der Spirale geht diese Energie im zuvor bedächtigen Wasser aus und kehrt auch wieder in diese Kreiselei zurück. Wenden wir uns nochmals dem Kurbelmenschen zu ... er bewegt also die Impulse über die Schraubenfeder, durch ihn erfährt die Bewegung die leitende Idee. Doch er selbst denkt zunächst an das Faszinosum der spiralisierenden Triebe. Um diese Spirale zu initiieren, ist er - wie schon des öfteren erwähnt - an die besagte Kurbel gebunden. Was geschieht nun, wenn er die Kurbel übersteigt, mit mentalen Fähigkeiten weiterdenkt als das zahnräderische Funktionieren dieser Mechanik, ein organisches Denken ohne die manieristische Abfolge von Bewegungen. --- Sprudelnde Gedanken, nicht unähnlich der rasenden Tiefenvordringung der Wasserhose. Man sollte somit versuchen, geistig EINS mit diesem Faszinosum zu werden, wenn schon die Glaswand abtrennt, so können wohl die freien Gedanken diese Wand leichter oder gänzlich durchdringen.

Jedoch - wie sehen die einzelnen Betrachter diesen Wirbel. Gut, gehen wir davon aus, daß alle an diesem Schöpfungswirken beteiligten Betrachter eine ungestörte Wirklichkeit haben, und auch davon überzeugt sind, daß sich ihne eine unverfälschte und reine Turbulenz offenbart, sie also keine skeptischen Zweifel hegen. Sie achten durchaus auf die Handbewegungen des Kurbelmenschen ... dieser steuert seine eigene Geistesvorstellung aus. Die Anderen reagieren auf seine Taktiken und physikalischen Impulse; sie merken an, welche Impulse sie besonders beeindrucken, zunächst staunen sie über die sich ausladenden Bewegungen innerhalb des Fluidums, dann äußern sie sich in Sprache über seine zwischengedanklichen Absichten (d.h. zwischen der geistigen Reifung, dem Handanlegen an der Kurbel und der schließlichen Formung innerhalb der Säule liegend) und der Kurbelmensch bedenkt ihre Ausführungen - wenn er einsichtig ist, was er sein sollte - so kann er gar nicht ohne äußeren Einfluß Einfluß auf die innere Gestalt(-ung) der Säule nehmen. Wenn aber die einzelnen Schraubenblätter als Abbild im Innern der Säule der außenstehenden Betrachter gesehen werden, so besteht eine Möglichkeit, zugleich aktiv-unabhängig von außen die Initiativen des Kurbelmenschen zu begutachten - sprich: konstruktive Kritik mit dem notwendigen Maß an Enthusiasmus und Leidenschaft auszu-üben; aber auch passiv-abhängig vom Kurbelmenschen die von ihm beabsichtigte Wirkung mitzutragen. So entsteht eine durchgreifende Bewegung, keinesfalls sich in bloßer Schwärmerei verlierend; eine Verbindung zwischen dem bloß Mechanischen und dem, dann dieses übersteigenden, Organischen, anstrebend. Der große Vorteil ist ersichtlich: dieses Wasser kann zuvor völlig in sich ruhen, bis der Kurbelmensch den Anstoß gibt - nach seinen theoretischen Überlegungen / dann aber ergibt sich ein stimmiges Ganzes - die Säule in der Säule, von oben nach unten, von unten nach oben, bewahrt vor Angriffen, welche diejenigen zu unternehmen wagen, die noch nicht die sich ständig erneuernde Spiralenform verstehen und dann ergreifen können. Sie sehen zwar die sich windende Form, drängen sich aber nicht bis in den Wirbel selbst vor. Dazu ist noch einige Arbeit notwendig. Sie führt zugleich in die Höhe als auch in die Tiefe, beider Richtungen sollte man sich bewußt sein. Erfährt man diese Bewegung, so dringt man auch in das Innere dieser Säule vor, wird hinein gezogen und es rauscht dann ständig, bis natürlich der Kurbelmensch, von den anderen Betrachtern angestoßen oder abgehalten mit dem Drehen der Kurbel fortfährt -in den unterschiedlichsten Graden - oder inne hält bzw. erstmal verlangsamt bis zum einstweiligen Stillstand. Der Kreis schließt sich somit, der außenstehende Kurbelmensch dringt durch den physischen Kontakt mit den Schraubenblättern in den Gedankenstrom der Spirale ein, zugleich wird er mechanisch und (achtet auf dieses kleine Verbindungswort!) organisch.

Einheit herrscht vor!

- verfaßt auf der Rückreise mit dem Zuge / es ist mir dabei ein Licht aufgegangen, als ich selbst in der kubisch-zylindrischen Säulenform saß, die sich ständig vorwärts bewegte, bis sie auch mal ruhend lag, um später wiederum voranzubrechen! 22.10.2000

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